Caesar und ...

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Caesar und seine Soldaten

Führung und Einsicht

 

Einleitung

 

„Man könnte von Caesar wie von Rommel sagen: „Zwischen ihm und seinen Truppen herrschte jenes gegenseitige Verstehen, das weder erklärt noch analysiert werden kann, sondern das ein Geschenk der Götter ist.““ schreibt Michael Grant in seiner Biographie „Caesar – Genie Diktator Gentleman“. Der Frage, ob es sich bei diesem „Geschenk der Götter“ nicht vielmehr um vorzügliche Menschenführung handelt, wie sie auch in modernen Armeen gefordert und gefördert wird, soll mit dieser Hausarbeit nachgegangen werden. Nicht die Fragen der Abhängigkeit der Soldaten von Caesar in ökonomisch–materieller Hinsicht sollen uns daher hier beschäftigen. Wir stellen vielmehr den Versuch an, zwischen moderner Menschenführung und der „Menschenführung beim Feldherrn, der seelischen Durchdringung seiner Soldaten, Unterführer und Generale“ eine Brücke zu schlagen: Was ist seine „Kunst der Menschenbehandlung“, läßt sich dieser Führungsstil mit modernen Führungskonzepten wie der „Inneren Führung“ vergleichen? Wir werden uns im folgenden mit Caesars Rede vor Vesontio beschäftigen, zumal „ihre Gedankenführung doch charakteristisch sein [dürfte] für sein Verhalten in solch kritischen Lagen.“ Uns ist dabei klar, daß die gestellten Fragen nicht abschließend und z.T. nur oberflächlich behandelt werden können, denn das hätte den Rahmen gesprengt.

 

 

Caesars Verhältnis zu seinen Soldaten

Wie behandelt er sie? Welchen Erfolg hat er damit?

 

Durch Vormachen, den Kompetenzbeweis des Führers wird dessen formelle Autorität legitimiert. Durch Vorleben wird die Möglichkeit zur Identifikation mit dem Führer geschaffen, werden Wertvorstellungen und Verhalten der Untergebenen geprägt. Vormachen und Vorleben, das sind zentrale Punkte in Caesars Verhältnis seinen Soldaten gegenüber:

  • „Caesar sah, daß die Lage (...) höchst gefährlich war, er hatte jedoch keinerlei Truppen zu Verfügung, die er hätte zu Hilfe schicken können: Da nahm er einem Soldaten aus den hinteren Reihen den Schild weg, da er selbst ohne Schild gekommen war, drang bis zur ersten Reihe vor, rief die Centurionen alle beim Namen und feuerte die übrigen Soldaten an (...). Sein Erscheinen erfüllt die Soldaten mit neuer Hoffnung und frischem Mut.“
  • In diesem Ausschnitt aus dem Bellum Gallicum delegiert Caesar nicht von seinem „Feldherrenhügel“ herab seine Truppen, sondern greift selber unmittelbar und körperlich in das Gefecht ein. Durch sein persönliches Eingreifen gelingt es, dem Angriff für eine Weile etwas von seiner Stoßkraft zu nehmen.
  • Es ist diese persönliche Leistung, die erfahrbar ist für den Einzelnen, die Caesar in den Augen auch einfacher Soldaten glaubwürdig gemacht hat.

    • „Der Mann [...] hatte seinem Körper eine Leistungsfähigkeit abgerungen, die dem Können seiner Centurionen kaum nachstand. Er war waffenkundig, ein trefflicher Reiter, durchschwamm die Flüsse und setzte sich an manchem schweren Tag an die Spitze einer marschierenden Kolonne, allen ein Vorbild soldatischer Kraft. Selbst in der Schlacht war er oft genug bei der Truppe in der Zone der Gefahr und des Todes.“
  • „Führen durch Beispiel“ ist das Schlagwort, das dieses Verhalten bezeichnet, es ist auch die Anleitung zu selbständigem Handeln, die Erziehung zu wissen, zu fühlen, wie in bestimmten Situationen gehandelt werden muß. Caesars Soldaten haben gelernt, wie sie zu reagieren haben, auch wenn der (Einheits-)Führer nicht zur Stelle ist. Eine Art Anleitung zu selbständigem Handeln, wie sie auch in unseren Tagen praktiziert wird:
    • „„Ich habe immer probiert, ihnen [den Unterführern und Mannschaften] irgendwie den Sinn für das Ganze beizubringen, so daß sie auch im Sinne des Vorgesetzten haben handeln können. Das hat sich sehr bewährt.“ Durch den Verlust des Überblicks und der Kommunikationsmöglichkeit wird das „doktringetreue“ Führungshandeln besonders wichtig.“
  • In letzter Konsequenz ist hier gegenseitiges Vertrauen alles und ohne Vertrauen alles nichts:
    • „Es ist das Vertrauen, das zählt, und nicht all die anderen, in den „Himmel gehobenen Wunderdinge“ wie Motivation, Initiative, Führungsstil und anderes mehr.“
  • Dieses Vertrauen erarbeitete sich Caesar immer wieder aufs neue dadurch, daß er bei seinen Truppen zu gegen ist:
    • „Man muß so viel wie möglich bei den Leuten sein, bei den Verbänden sein, schauen, was passiert. (...) Meist genügt es, wenn man einfach dasteht, damit die Untergebenen sehen: ,Aha, der Alte ist auch da, der hockt nicht mehr im Bett.‘“
  • aber auch dadurch, daß er sie in seine Pläne und Ansichtsweise einweist. Die Reden, die er in Momenten der Unsicherheit und vor Gefechten vor seinen Soldaten oder vor dem Kriegsrat hält, sind geprägt durch Offenheit, Ehrlichkeit, die Darstellung von Zusammenhängen, eben durch eine „direkte Kommunikation“. Die Soldaten Caesars werden so von dem Sinn und vom Ziel ihrer Unternehmungen und ihres Kampfes überzeugt:
    • „Starke innere Bindung der Soldaten an das Ziel trägt wesentlich zum erfolgreichen Führen bei.“
  • Dies ist der Ansatz des „kooperativen“ Führungsstils, der dem von „Befehl und Gehorsam“ gegenübersteht. Moderne Menschenführung kombiniert diese beiden Führungsarten, um Verständnis und Willen zur Umsetzung von Befehlen zu erreichen.
  •  

    Die Rede vor Vesontio

     

    Im ersten Kriegsjahr Caesars (58/57 v. Chr.) befand sich das Heer nach erfolgreich bestandenem Feldzug gegen die Helvetier auf dem Vormarsch gegen die Germanen und ihren Anführer Ariovist. Als es sich abzeichnet, daß es zu einer Konfrontation kommen wird, gerät das Heer durch Gerüchte und Schreckensgeschichten in Furcht und Panik. Es ist jetzt an Caesar, dieser Stimmung entgegenzutreten oder seine Pläne aufzugeben. Caesar nutzt die Chance und beruft alle Führer und Unterführer zum Kriegsrat ein. Die dann folgende Rede unterteilt sich in sechs Abschnitte. Zu erst wirft er ihnen vor, durch ihr Infragestellen seiner Pläne Amtsanmaßung zu betreiben und belegt dies mit Argumenten. Im zweiten Abschnitt stellt er die Kämpfe der Germanen mit anderen Stämmen den siegreichen Kämpfen der Römer gegen diese Stämme gegenüber, wobei er erfahrbar macht, daß die Germanen nicht so ungeheuerlich sein können. Im dritten Abschnitt zerstreut er die Zweifel an Versorgung und Wegverhältnissen, die den Soldaten als Ausrede gedient hatten. Im vierten Abschnitt reagiert Caesar auf eine angedrohte Gehorsamsverweigerung der Soldaten, indem er klar macht, daß er durch seine persönliche Leistung seine Vertrauens-würdigkeit bewiesen hat. Im fünften Abschnitt kündigt er den vorzeitigen Abmarsch an. Im letzten Abschnitt appelliert Caesar an Pflichtgefühl und Ehre seiner ganzen Armee, indem er ankündigt, im Falle einer Gehorsams-verweigerung mit der 10. Legion alleine aufzubrechen.

    Im zweiten Abschnitt der Rede stellt Caesar also anschaulich dar, daß die Germanen für die Römer keine unbezwingbare Gefahr darstellen. Caesar zählt Fakten auf, Siege und Niederlagen, die den Soldaten bekannt sind, die Teil ihrer eigenen Geschichte sind. Die „Caesarsicht“ wird wie eine Doktrin vorgestellt, Diskussion ist nicht vorgesehen, aber auch nicht gefordert, denn aus der Sicht der Legionäre gibt es an dieser „Wahrheit“ keinen Zweifel, Caesar hat den Überblick nicht verloren. Auch weiht er sie in seine Überlegungen ein und für die Legionäre sind die nachvoll-ziehbar.

    Von besonderem Interesse für die Frage nach der Menschenführung sind die nun folgenden Abschnitte drei bis sechs. Es kommt darauf an, daß Caesar Motivation und Vertrauen schafft. Da für den Soldaten die Verpflegung ebenso wichtig ist wie Schlaf, gleichsam einen großen Teil seines Horizontes ausfüllt, gilt es die Versorgung mit Getreide als gesichert darzustellen, was Caesar im dritten Abschnitt tut: „[...]das Korn auf den Feldern ist schon reif[...]“. Im Abschnitt Vier kommt Caesar auf seine persönliche Leistung zu sprechen, die seine Vertrauenswürdigkeit beweisen soll. Mit geradezu herablassender Arroganz stellt er die angedrohte Gehorsamsverweigerung außer Frage. Es wird klar, seine persönlichen Leistungen machen ihn vertrauenswürdig. Gerade unter den einfachen Soldaten wird dadurch seine Arroganz als gerechtfertigt erschienen sein, die Soldaten werten sie nicht als Herablassung, sondern als Ansporn. Adressaten dieser Ausführung sind auch die Bürger Roms, die immer mit einbezogen werden in Caesars Überlegungen und Darstellungen und die auch erreicht werden. Nicht zu letzt ist der Bellum Gallicum die Selbstdarstellung Caesars vor dem stadtrömischen Publikum.

    Im fünften Abschnitt gibt Caesar den Befehl zum vorzeitigen Abmarsch. Das ist die Wende innerhalb der Rede, hier wird eine Änderung für die Soldaten greifbar, es ist anzunehmen, daß sie an dieser Stelle ihre „Germanenfurcht“ endgültig aufgeben.

    Die Hervorhebung der 10. Legion im letzten Abschnitt gibt der Rede den letzten Schwung, die Soldaten werden mit der treuen Elite Caesars konfrontiert und der wollen sie in nichts nachstehen. Mit seiner Art zu reden und mit diesen Inhalten ergibt sich die überraschende Wendung:

    „Diese Rede bewirkte bei allen eine erstaunliche Sinneswandlung und erfüllte sie mit höchstem Tatendrang und Kampfeseifer.“

     

     

    Fazit

     

    Als Fazit läßt sich sagen, ein „Geschenk der Götter“ ist Caesars Verhältnis zu seinen Soldaten nicht. Caesars Art der Menschenführung durch Vertrauensbildung hat den Ausschlag für seinen Erfolg bei den Soldaten gegeben. Und in der Tat kann man der Menschenführung Caesars Ansätze moderner Menschenführung abgewinnen, auch wenn die Situation eine andere war, handelt es sich bei Caesars Armee nicht um „Staatsbürger in Uniform“, die ihre Heimat verteidigen. Man kann abschließend feststellen, daß Caesar seine Soldaten mit dem oben beschriebenen Führungsstil behandelt hat und daß er Erfolg damit hatte.

     

    (Max Bornefeld-Ettmann)

     

     

    Quellen

     

    Caesar, G.J.:    Bellum Gallicum.

    Caesar, G.J.:  Commentarii Belli Civilis.

     

    Sekundärliteratur

     

    Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.): Kammeraden führen. Anregungen

          • für Menschenführung und Methodik der Ausbildung, Schriftenreihe Innere Führung, Heft 6, Bonn 1982.
  • Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.): Weißbuch 1975/1976. Weißbuch
          • zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und zur Entwicklung der Bundeswehr, Bonn 1976.
  • Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.): Weißbuch 1994. Weißbuch zur
          • Sicherheit der Bundes-republik Deutschland und zur Lage und Zukunft der Bundeswehr, Bonn 1994.
          • Gelzer, M.: Caesar. Der Politiker und Staatsmann, Wiesbaden 61960.
          • Glücklich, H.-J.: Rhetorik und Führungsqualitäten. Feldherrenreden Caesars und Curios. In: AU 1975, 3, S.33-64.
          • Grant, M.: Caesar. Genie Diktator Gentleman, Hamburg 1970.
          • Grunewald, J.: Vertrauen, Grundlage der Führung. In: Truppendienst, 2, 1997, S.112-115.
          • Hoenle, S.: Grundannahmen zum Führungsprozeß. In: Führungskultur in der Schweizer Armee. Eine empirische Studie, Frauenfeld 1996.
          • Jünger, E.: In Stahlgewittern. Aus dem Tagebuch eines Stoßtruppführers, Berlin 41922.
          • Lammert, F.: Rez. Vogt, J.: Caesar und seine Soldaten. Leipzig 1940. In: Gnomon, Bd.17, 1941, S.431.
          • Stockfisch, D.: Führungsethik. In: Menschenführung in Frieden, Krise und Krieg, Hamburg 1997, S.80-91, 113-120.
          • Vogt, J.: Caesar und seine Soldaten. In: N. Jbb. 3. 1940. Auch in: AU 1955, 2, S.54.

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